27. Januar 2009, 18 Uhr, Antoniterkirche: "Es gab sie, die Helfer, die Mut zur Zivilcourage hatten!"
Wir gedenken aller Verfolgten und Ermordeten der Nazidiktatur: der Juden, Sinti und Roma, der aus politischen, weltanschaulichen, religiösen und sozialen Gründen Verfolgten, der Homosexuellen, der Kranken und Behinderten, der Zwangssterilisierten, der Deserteure, der Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter, sowie der Zivilisten und Kriegsgefangenen in den von der deutschen Wehrmacht und ihren Hilfstruppen besetzten Ländern. 64 Jahre nach der Befreiung vom Faschismus erinnern wir an das Leiden, die Qualen und Erniedrigungen aller dieser Menschen.
Am 27. Januar 2009 sollen die im Mittelpunkt des Gedenkens stehen, die Zivilcourage bewiesen, indem sie Menschen, die verfolgt wurden, halfen oder zu helfen versuchten, ihr Leben zu retten.
Schon in den ersten Tagen der NS-Herrschaft, im Februar 1933, wurden Grund- und Freiheitsrechte beseitigt und wurde begonnen, den politischen Widerstand zu brechen, indem Kommunisten, Sozialdemokraten, Gewerkschafter verfolgt und ermordet, ihre Organisationen verboten und zerschlagen wurden. Viele gingen ins Exil, um dem Naziterror zu entkommen. Die Lage der Menschen, die nicht in das nationalsozialistische Weltbild von der „Volksgemeinschaft“ passten, spitzte sich dramatisch zu, nicht nur durch NSDAP und Verfolgungsbehörden sondern auch durch denunziationsbereite Fanatiker und Opportunisten.
Jüdinnen und Juden wurden aus öffentlichen Ämtern und Einrichtungen gejagt. Durch zahlreiche Gesetze und Verordnungen wurden sie nach und nach vollkommen entrechtet. Homosexuellen drohten Vorbeugehaft, Umerziehungslager oder KZ-Einweisung. Die Freizügigkeit der Zigeuner wurde aufgehoben, dies war der Auftakt für ihre Vernichtung. Es begann die Euthanasie, der zehntausende Kranke und Behinderte, darunter viele Kinder, zum Opfer fielen.
Jüdinnen und Juden wurde 1941 die Auswanderung verboten. Es begannen die Transporte in die Vernichtungslager. Ende 1943 galt Köln als „judenfrei“. Als sich nach der Schlacht um Stalingrad eine Niederlage der Wehrmacht für immer mehr Menschen abzeichnete, stieg die Zahl der wehrfähigen Männer, die sich der totalen Mobilmachung durch Desertion verweigerten. Zahlreiche Zwangsarbeiterinnen und Zwangsarbeiter entzogen sich ihrem Einsatz durch Flucht und tauchten in den ausgebombten Häusern unter. Alle diese Menschen brauchten vielfältige Unterstützung, um der Vernichtungsmaschinerie des NS-Regimes entkommen zu können.
Es gab sie, die Helfer, die Mut und Zivilcourage hatten. Diese Frauen und Männer kamen aus allen sozialen Schichten. Manche waren Mitglieder von Naziorganisationen. Sie hatten die unterschiedlichsten Motive: persönliche Freundschaft, Nächstenliebe, Mitgefühl, Gegnerschaft zum Regime.
Sie gewährten einen Schlafplatz, fanden Verstecke, brachten auch unbekannte Personen aufs Land, gaben vertrauliche Informationen weiter, verkauften für Verfolgte wertvolle Gegenstände. Sie verhalfen zu einer neuen Identität, gingen eine Scheinehe ein, stahlen Stempel, beruhigten ängstliche Mitwisserinnen und Mitwisser, versorgten Untergetauchte mit Lebensmitteln, täuschten die Behörden, richteten einen „kriegswichtigen“ Arbeitsplatz ein. Für ihren Einsatz drohten ihnen harte Strafen, bis hin zur Todesstrafe.
Zahlenmäßig überwiegt jene Hilfe, die spontan geschah, nicht lange geplant oder vorbereitet. Viele Helfer kannten ihre Schützlinge vorher nicht und kamen plötzlich in die Situation, jemanden zu verstecken. Die Geschichte der Retter ist eine Geschichte zahlreicher einzelner Menschen. Ihre Geschichten sind untrennbar mit denen der Geretteten verflochten. Für uns heute sind sie Vorbilder.
Wir fühlen uns dem Schwur der Überlebenden des Konzentrationslagers Buchenwald verpflichtet:
„Die Vernichtung des Nazismus mit seinen Wurzeln ist unsere Losung, der Aufbau einer neuen Welt des Friedens und der Freiheit ist unser Ziel!“
Deshalb erwarten wir von allen, auch von der Wirtschaft, Gewerkschaften, demokratischen Parteien, Stadtverwaltung, Kirchen, Einrichtungen von Erziehung, Bildung und Ausbildung, Vereinen, Stiftungen, Jugendorganisationen und Medien, ihren Beitrag für ein gleichberechtigtes und demokratisches Miteinander zu leisten. Das erfordert auch unter heutigen Bedingungen oft Mut und Zivilcourage.